Interview mit einer Chefärztin – Lean für Ärzte
Dass sich Lean Management im Gesundheitswesen sehr erfolgreich etabliert ist bekannt. Nun gehen verschwendungsfreie Prozesse auf eine neue Ebene, nämlich dieser der Ärzteschaft. Warum sollen sich Ärzte und Ärztinnen selbst mit Lean Management auseinandersetzen? Im exklusiven Interview mit Dr. med. Katharina Rüther-Wolf, Leitung Lean Hospital und Geschäftsleitung Reproduktionsmedizin im Universitätsspital Basel erhalten Sie die Antwort auf diese Frage und viele Gründe, weshalb sich (angehende) Ärzte und Ärztinnen die Fachveranstaltung „Lean für Ärzte“ vom 06. September 2018 (und folgende Daten im Jahr 2019) nicht entgehen lassen dürfen.
Dr. med. Katharina Rüther-Wolf, Leitung
Lean Hospital und Geschäftsleitung
Reproduktionsmedizin, Universitätsspital
Basel
Frage 1: Frau Rüther-Wolf, in Ihrem Referat vom 08.02.18 sprechen Sie von „Fluss- versus Ressourceneffizienz“. Machen Sie bitte kurz und knapp schmackhaft, weshalb dieses Referat für potenzielle Teilnehmende wichtig ist.
Die Flusseffizienz bildet die Grundlage von Lean. In der Vergangenheit wurden Spitäler nach der optimalen Auslastung der Ressourcen ausgerichtet, Ressourceneffizienz genannt. Beispielsweise werden die Sprechstunden so geplant, dass die Sprechstundenzimmer maximal ausgelastet sind. Im Gegensatz dazu steht die Flusseffizienz, die die bestmögliche Versorgung für den Patienten in optimalem Zeitfluss zum Ziel hat. Das bedeutet für obiges Beispiel, die Sprechstunden auf den Patientenfluss und den Bedarf des Patienten auszurichten.
Frage 2: Weshalb beschäftigen Sie sich als Ärztin mit Lean Management, bzw. weshalb haben Sie sich der Leitung des Lean Hospitals angenommen?
Als Ärztin habe ich häufig erlebt, dass die Patienten in den einzelnen Schritten im Spital sehr gut behandelt werden, dies aber von einem mangelhaften Gesamtprozess überschattet wird. Lean Hospital ist für mich ein guter Ansatz, um eine Qualitätssteigerung für die Patienten trotz zurückgehender finanzieller Mittel zu erreichen . Es hat sich gezeigt, dass die Patientenzentrierung positive Auswirkungen auf die Verbesserungen in der Produktivität bis hin zu der Mitarbeiterzufriedenheit zur Folge hat. Die neugebildete Abteilung des Patientenzentrierten Managements wurde explizit dafür gebildet und soll mittels Lean Hospital und weiteren spitalstrategischen Projekten die Flusseffizienz im Universitätsspital Basel optimieren.
Frage 3: Weshalb ist es wichtig, nebst Teilbereichen von Spitälern auch die Ärzteschaft mit Lean Management zu konfrontieren?
Lean Hospital beinhaltet eine neue Kultur. Diese sieht einen besonders hohen Mehrwert für den Patienten unter anderem in der interprofessionellen Zusammenarbeit. Nur wenn alle Berufsgruppen, d.h. natürlich auch die Ärzteschaft integriert sind, kann dieser Kulturwandel erfolgreich sein. Dabei ist wichtig, dass alle Mitarbeitende Lean verstehen und die Methoden aktiv in ihrem Spitalalltag leben. Als Ärzte können wir nur einen Teil in der Patientenbehandlung eigenhändig beeinflussen. Die komplexe Interdisziplinarität und Interprofessionalität, die im Alltag oft zu Missverständnissen oder Problemen führt, wird durch Lean Hospital reduziert.
Frage 4: Was sind die Folgen für (angehende) Arzte, wenn sie sich nicht zeitgerecht mit Lean Hospital-Ansätzen auseinandersetzen?
Um ehrlich zu sein, passiert zunächst vermutlich einmal nichts. Lean Hospital ist jedoch eine Möglichkeit das ärztliche Bedürfnis, Patienten zu helfen, erfolgreicher umzusetzen. Wenn aufgrund der Flussoptimierung mehr Zeit für die Patienten zur Verfügung steht, gewinnen alle.
Frage 5: Sehen Sie Lean Management im Gesundheitsbereich als langfristiger Trend oder nur aktueller Hype? Weshalb?
Lean Management stellt die einzige Möglichkeit dar, Qualität in Zeiten des ökonomischen Druckes hoch zu halten. Solange uns diese Herausforderung noch begleitet, wird es aktuell sein. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) oder auch Kaizen genannt, führt zu einer stetigen Weiterentwicklung und Optimierung des Systems. Ich glaube nicht, dass Lean ein Trend ist, sondern als etablierte Methode aus der künftigen Spitalentwicklung nicht mehr wegzudenken ist.
Frage 6: Welche Vorteile bringt Lean Management einem Arzt?
Lean ermöglicht dem Arzt durch die Reduktion von typischen „Verschwendungen“, wie Suchen, Doppeldokumentationen und langes Warten, mehr Zeit für den Patienten aufwenden zu können. Lean wirkt auf allen Ebenen: Vom Assistenzarzt, der weniger telefonieren muss, bis er zu den nötigen Informationen kommt bis zum Chefarzt, der deutlich weniger in Meetings sitzen muss, da interprofessionelle Abstimmungen einfacher und schneller möglich sind.
Frage 7: Inwiefern trägt ein «Lean-Arzt» auch der ganzen Unternehmung bei?
Jeder einzelne Mitarbeitende, ob Ärztin/Arzt, Pflegefachperson, aus Hotellerie, ICT, Reinigungsdienst, etc. trägt zum Gelingen eines Systems bei. Durch die Initiative jedes einzelnen kann sich das gesamte Unternehmen weiterentwickeln und zu neuen Ufern aufbrechen. Am Beispiel des KVPs wird deutlich, dass durch die individuellen Beiträge eine Verbesserung der Gesamtsituation erreicht werden kann.
Frage 8: Weshalb sollte man an der Veranstaltung «Lean für Ärzte» teilnehmen?
„Lean für Ärzte“ bietet einen guten Einstieg ins Thema Lean Hospital. Die Veranstaltung ist auf die Interessen und die methodischen Bedürfnisse von Ärztinnen und Ärzte zum Thema Lean Hospital ausgerichtet. Die Teilnehmenden sollten die Grundkenntnisse erlangen, um ihr ärztliches Berufsfeld optimieren zu können. An praktischen Beispielen aus der Klinik werden die einzelnen Begriffe aus der Lean Hospital Theorie verdeutlicht und somit der Transfer in den individuellen Alltag ermöglicht.
Dr. med Katharina Rüther-Wolf ist eine von vier Referenten an der Veranstaltung „Lean für Ärzte“ und spricht zum Thema – „Fluss- versus Ressourceneffizienz – wie geht das?“
„Lean für Ärzte“ findet in mehrfacher Ausführung im Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil statt. Der nächste Termin ist am 06. September 2018.